Ernst May Kiosk

2 – DS 01

2. Gemeinschafts- und Versorgungs­einrichtungen im Neuen Bauen

Im Neuen Bauen gewannen Pavillonbauten signifikante Bedeutung als Flachbauten der Gemeinschaftseinrichtungen in Wohnsiedlungen. Auch die Orientierung auf die Gewährleistung des Wohnens für das Existenzminimum nahm Bezug auf Lauben und Siedlerhäuser. Als «Bungalow» im Sprawl amerikanischer Vorstädte entstanden, findet der zumeist eingeschossige Haustyp seine weltweite Verbreitung. Zur Architekturikone ohne weiteren städtebaulichen Bezug wurde der Barcelona-Pavillon von Mies van der Rohe 1928/29, er demonstrierte die neue Architektur sui generis. Da es hier im engeren Sinne um Ladenpavillons geht, werden im Folgenden einige exemplarische städtebauliche Konfigurationen dieses Bautyps im Neuen Bauen umrissen.

A. Läden im ländlichen Siedlungsbau

Im Dorf wurde die Funktion des Ladens oder auch der Gaststätte zumeist von einem straßenseitig gelegenen Gebäudeteil eines Hofes wahrgenommen, der sich typologisch nicht wesentlich von einem Wohnhaus oder einer Scheune unterschied. Demgegenüber waren die Kirche, das Pfarrhaus oder die Schule typologisch stets deutlich erkennbar und selbst raumbildend. — Am Anfang des 20. Jahrhunderts begann die frühe Moderne auch im ländliche Reformsiedlungsbau die Funktionen räumlich zu differenzieren und städtebaulich zu akzentuieren, wobei die Erfahrung des Städtischen einfloss. Ein frühes Beispiel, einen Kiosk in den Siedlungsbau zu integrieren, zeigt die Abb. 1. (Ernst May, Breslau/Wrocław, ul. Karmelkowa). Funktionell und typologisch klar unterschieden, formuliert der Kiosk eher auf traditionell städtische Weise einen Block. Er erhält dadurch selbst Halt und gewinnt urbanen Ausdruck.

B. Aufhebung der Trennung von Zentralgebäude und Funktionsbauten

Für die Siedlung Freidorf (1919 – 1921) bei Basel wählte Hannes Meyer den umgekehrten Weg: «Wenn anderswo Kirche und Schule, Kaufhaus und Gasthaus verstreut sind, so vereint hier der Zentralbau sie alle unter sein Dach.»1 (Abb. 2) — Die Entscheidung, alle Versorgungsfunktionen in den «Tempel der Gemeinschaft» zu legen, gründete auf dem gemeinschaftlichen Eigentum der Genossenschaft an Grund und Boden. Diese Vergemeinschaftung des Raumes beschrieb Hannes Meyer rückblickend 1925 als «bienenwabenähnlichen Zellenbau», als ein «Zellenbau im Zeilenbausystem». «Ein Zellenbau. Typisiert, normalisiert, standardisiert, elektrifiziert.» Eine «garten- und bautechnische Wohnmaschinerie».2 (Abb. 3)

C. Zeilenbauweise und Stadtentwicklung

Die allgemeine Tendenz zur Zeilenbauweise charakterisierte Ernst May 1930 in seinem Aufsatz «Fünf Jahre Wohnungsbautätigkeit in Frankfurt am Main» wie folgt: «Die Hof- und Hinterbebauung verschwindet, der allseitig umbaute, im Innern freie Block erobert das Feld. ­Besonders in der Innenstadt wird dieses Bausystem auch noch in der näheren Zukunft weiterbestehen, weil die Bodenpreise und vor allem die vielfach bereits fertige Straßenerschließung weitergehende Reformen in der Richtung einer Öffnung der Blockenden und einwandfreien Entlüftung der Bauquartiere zu kostspielig gestalten. Über all da, wo es sich um Neuerschließung von Baugelände handelt, wird aber die Entwicklung voranschreiten, deren Ziel es ist, jeder menschlichen Wohnzelle gleich günstige Bedingungen bezüglich Belüftung, Belichtung, Anteil an den Freiflächen und Lage zum Verkehr zu sichern.»3 (Abb. 4)